„Es war eine verpasste Chance, um sich richtig mit den neuen Kritikpunkten des BUND zur geplanten Ausweisung eines im Vergleich zum Grundwassereinzugsgebietes halbierten Wasserschutzgebiets Ordenswald auseinanderzusetzen“, ist sich Elke Kimmle, Fraktionsvorsitzende der Grünen in Neustadt, sicher.
Mit der Vorfestlegung auf 30 Minuten für dieses komplexe Themenfeld – ohne die Möglichkeit eines fachlichen Austausches zwischen dem BUND und dem von den Stadtwerken beauftragten Ingenieurbüros BCE bzw. der Verwaltung – konnte der Stadtrat nur bruchstückhaft, einseitig und unzureichend informiert werden. Der Abteilungsleiter Umwelt las die BUND-Kritikpunkte en bloc vor und nahm danach Stellung, ohne dass der BUND im Anschluss noch einmal die Chance hatte, die städtischen Aussagen zu relativieren oder klarzustellen. Dieser demokratische Austausch war von Seiten des Oberbürgermeisters Marc Weigel nicht gewünscht, „da der Erörterungstermin mit der SGD bereits im September 2021 stattgefunden hat“. Allerdings waren bei diesem Termin die Stadträt*innen – mit Ausnahme von zweien – nicht anwesend, da nur Personen geladen waren, die zuvor eine Eingabe zum Wasserschutzgebiet abgegeben hatten.
In dem engen Zeitkorsett konnten nur zwei Fragen von Seiten des Stadtrats gestellt werden. Auf die Frage von Elke Kimmle (Grüne), wo genau das Grundwasser für die Brunnen im Ordenswald neu gebildet wird und wo das geplante Wasserschutzgebiet Ordenswald endet, zeigte der Ingenieur von BCE eindeutig, dass der Großteil des Grundwassers außerhalb des geplanten Wasserschutzgebiets entsteht. „Damit wären ausgerechnet die wichtigsten Flächen für die Grundwasserneubildung rechtlich nahezu ungeschützt. – Ungeschützt vor Verunreinigungen und weiteren Versiegelungen. Das ist in unseren Augen der schlechtest mögliche Trinkwasserschutz für Neustadt und hat nichts mehr mit Verhältnismäßigkeit zu tun“, war anschließend das Statement der Grünen Fraktionsvorsitzenden. Daraufhin stellten die Fraktionsvorsitzenden von CDU, FDP und FWG reflexartig klar, dass sie das alles schon wussten und sich 2016 intensiv mit dem Thema v.a. im Austausch mit der Landwirtschaft und der IHK beschäftigt hatten. Nur die SPD lobte die intensive Auseinandersetzung des BUND mit dem Wasserschutzgebiet Ordenswald.
Zum Schluss wurde die Frage von Margarete Hoffmann (FWG) gestellt, ob es angesichts der Klimakrise und der 25 % geringeren Grundwasserneubildung sinnvoll ist, das Wasserschutzgebiet Ordenswald in der jetzt angedachten Größe auszuweisen. Die abschließende Antwort durfte wenigstens Prof. Dr. Hahn geben, Gewässerökologe an der Uni Landau, den der BUND als Sachverständigen eingeladen hatte. Er verwies darauf, dass aufgrund des Klimawandels immer weniger Wasser zur Verfügung stehen wird und damit das Grundwasser besonders vulnerabel und schützenswert sei. „Daher sollten der Stadtrat und die Verwaltung von Neustadt auf die Rechtssicherheit eines vorsorgenden Grundwasserschutzes achten und nicht darauf verzichten. Dies hat etwas mit Daseinsvorsorge und dem Greifen des Besorgnisgrundsatzes zu tun. Deshalb kann ich nur dafür plädieren, genauso wie das Landesamt für Umwelt, dass Neustadt noch einmal ernsthaft über die größere Wasserschutzgebiets-Lösung nachdenkt.“
Weitere Informationen zu dem Thema:
https://buergerinfo.neustadt.eu/vo0050.asp?__kvonr=7924
BUND-Faktencheck:
https://neustadt.bund-rlp.de/themen-und-projekte/wasserschutzgebiet/.
Beitrag vom 02.02.2022
Grüne wollen bestmöglichen Schutz für Neustadter Trinkwasser
Im Stadtrat am 15.2.2022 wird das Wasserschutzgebiet Ordenswald noch einmal aufgrund des BUND-Faktenchecks und der Beantragung durch den Fachbeirat für Naturschutz behandelt. „Der letzte Stadtrat stimmte 2016 der Forderung nach einer Verkleinerung des Wasserschutzgebietes Ordenswald zu. Wir hoffen, dass die Beschäftigung mit der neuen Faktenlage zu einem Umdenken – zumindest eines Teils der Fraktionen – führt“, erklärt Elke Kimmle, Fraktionsvorsitzende von Bündnis 90/Die Grünen in Neustadt.
Normalerweise werden Wasserschutzgebiete nach der Technischen Regel W 101 auf der Gesamtfläche des Grundwassereinzugsgebiets ausgewiesen, um den besten Trinkwasserschutz zu ermöglichen. In Neustadt wären das 25 km2 rund um die Brunnen im Ordenswald, einem Teil der Innenstadt sowie Flächen in Richtung Lachen-Speyerdorf, Hambach und Diedesfeld. Dagegen protestierte damals der Bauern- und Winzerverband/die Landwirtschaftskammer Rheinland-Pfalz und die IHK. Sie befürchteten, dass die dortige Landwirtschaft unverhältnismäßig hohe Auflagen vorgeschrieben bekommen und dass dort keine Entwicklung von Gewerbe und Industrie mehr möglich wären. Wir sind jetzt fünf Jahre weiter und die Landwirtschaft muss heutzutage auf jeder Fläche hohe Auflagen erfüllen, aufgrund der aktuellen Dünge- und Pflanzenschutzanwendungsverordnungen (seit 2020 bzw. seit September 2021). Das heißt, es macht insbesondere für den dort ansässigen Weinbau keinen großen Unterschied mehr, ob die Wingerte im Wasserschutzgebiet liegen oder nicht – mit Ausnahme von Vorgaben zur Beregnung und Lagerung von Wirtschaftsdüngern (Tresterlagerung ist erlaubt). Der Einsatz von Glyphosat soll ab 2024 generell verboten werden. Auch die EU hat keine weitere Verschärfung in Wasserschutzgebieten geplant. Mit dem Rechtsverordnungsentwurf von 2020 werden in der Schutzzone III B nur noch wenige zusätzliche Einschränkungen für den Obst- und Gemüsebau vorgegeben. Gemäß der technischen Regel W 101 ist auch in der Zone III B die Entwicklung von Wohn- und Gewerbegebieten weiterhin möglich – unter Auflagen zu Baumaterialien, Bohrungen und der Verwendung von Chemikalien.
Die ursprünglichen Bedenken von 2016 sollten daher mittlerweile allesamt vom Tisch sein. Dennoch liegt der Antrag auf ein verkleinertes Wasserschutzgebiet Ordenswald von 14 km2 auf der Grundlage einer 50 Jahres-Strömungsisochrone der SGD (Struktur- und Genehmigungsdirektion Süd) zur Entscheidung vor.
Das verkleinerte Wasserschutzgebiet Ordenswald wie auch den aktuellen Rechtsverordnungsentwurf (2020) lehnen wir Grüne (Fraktion und Vorstand) aus folgenden Gründen ab:
- Wir wissen erst seit 2020, dass ausgerechnet das primäre Grundwasserentstehungsgebiet (aufgrund durchlässigerer Erdschichten) Richtung Hambach und Diedesfeld außerhalb des verkleinerten Wasserschutzgebietes liegt. Damit wäre die wichtigste Fläche für die Grundwasserneubildung komplett ungeschützt – vor Verunreinigungen und weiteren Versiegelungen. „Das ist in unseren Augen fahrlässig und in keiner Weise verhältnismäßig“, so Elke Kimmle.
- Mit einem halbierten Wasserschutzgebiet (im Vergleich zum Grundwassereinzugsgebiet) würde Neustadt vollkommen ohne Not das im Umweltrecht verankerte Vorsorgeprinzip über Bord werfen und zum teureren und unökologischen Nachsorgeprinzip übergehen. Man habe laut der Verwaltung 50 Jahre Zeit, um bei einem schädlichen Eintrag aufgrund der langsamen Fließgeschwindigkeiten reagieren zu können. „Aber das ist nicht der bestmögliche, sondern der rechtlich und faktisch schlechteste Trinkwasserschutz, den Neustadt festlegen kann. Vor allem wenn sich das notwendige Monitoring durch die Stadtwerke auf nur zwei weitere Messstellen beschränkt. Das ist viel zu wenig!“ mahnt Kimmle. „Trinkwasser ist unser wichtigstes Lebensmittel. Der Schutz dieses öffentlichen Gutes der Daseinsvorsorge sollte daher unbedingt Vorrang vor möglichen kleineren Einschränkungen einzelner haben. Der Paradigmenwechsel vom vorsorgenden zum nachsorgenden Grundwasserschutz widerspricht jeglicher Generationengerechtigkeit. Denn es besteht die Gefahr, dass die Trinkwasseraufbereitung technisch aufwendiger wird und damit die Kosten für die Bürger*innen in den nächsten zehn bis zwanzig Jahren erheblich steigen. Das würde gerade die sozial Schwächeren in Neustadt am stärksten belasten“, fasst Kimmle zusammen.
- Seit dem Erörterungstermin mit der SGD am 14.9.2021 wissen wir, dass Neustadt in Zukunft ausschließlich sein Trinkwasser aus dem Ordenswald beziehen wird, weil alle anderen Brunnen geschlossen werden. Daher sollte das Wasserschutzgebiet Ordenswald den optimalen Schutz erhalten.
- Beim Erörterungstermin im September 2021 erfuhren wir erstmals, dass das Landesamt für Umwelt eine Verkleinerung des Wasserschutzgebiets Ordenswald (auf 14 km2) ablehnt. Laut der Behörde würde die Grundwasserneubildungsrate von 3,3 Liter/Sekunde und km2 bei einer Entnahmemenge von 3,5 Millionen m3/Jahr durch die Stadtwerke bei einem großen Wasserschutzgebiet von 25 km2 gerade so für eine Bilanzdeckung reichen. Aber niemals bei der halbierten Variante! Verschärfend kommt die Erderwärmung mit Hitzesommern hinzu, durch die in Rheinland-Pfalz die mittlere jährliche Grundwasserneubildung in den vergangenen 15 Jahren um 25 Prozent zurückgegangen ist. Mit künftig steigender Tendenz. Durch den sinkenden Grundwasserpegel werden Stoffe wie Nitrate weniger verdünnt, wodurch die Nitratkonzentration im Grundwasser weiter ansteigen kann. Das bedeutet für die Zukunft, dass insgesamt weniger sauberes Wasser gefördert werden könnte. „Daher wäre der optimale Trinkwasserschutz durch die Ausweisung eines großen Wasserschutzgebietes das Gebot der Stunde. Insbesondere, da wir ebenfalls aktuell erfahren haben, dass beide Grundwasserkörper, aus denen die Brunnen im Ordenswald Wasser ziehen, in einem mittlerweile schlechten chemischen Zustand sind. Vor allem durch Nitratbelastungen“, konstatiert Kimmle. „Im Kontext der geringeren Grundwasserneubildung ist der aktuelle Antrag der Stadtwerke bei der SGD auf eine probemäßige Erhöhung der Förderrate um 0,5 Millionen m3/Jahr als sehr kritisch zu betrachten.“
- Wir wollen sowohl das große Wasserschutzgebiet und eine Kooperation mit der Landwirtschaft auf der gesamten Fläche (25 km2) erreichen. Das DLR (Dienstleistungszentrum ländlicher Raum) würde dabei die Bauern und Winzer fachlich zum grundwasserschonenden Einsatz von Dünge- und Pflanzenschutzmitteln beraten. Das wäre in unseren Augen die optimale Ergänzung zu einem großen Wasserschutzgebiet. Die Kooperation würde über den „Wassercent“ finanziert werden.
- Mit dem Entwurf der Verkleinerung wurde auch ein neuer Entwurf der Rechtsverordnung vorgestellt. Aus dem aktuellen Rechtsverordnungsentwurf von 2020 (im Vergleich zu 2015) sind das Verbot von Industrieanlagen (Umgang mit großen Mengen wassergefährdender Stoffe) in der Schutzzone III B wie auch sämtliche Auflagen und Vorgaben zum Schutz des Grundwassers vor chemischen Verschmutzungen herausgefallen. Damit wären selbst bei einem verkleinerten Wasserschutzgebiet in der äußeren Zone Industrieanlagen, die mit wassergefährdenden Stoffen arbeiten, ohne spezifische Auflagen erlaubt. „Das darf der Neustadter Stadtrat nicht zulassen!“, fordert Kimmle.