Die GRÜNEN Neustadt an der Weinstraße

Neustadt

Grüne Haushaltsrede: Wir investieren in Menschen, Klima und Zukunft – auch in schwierigen Zeiten

Haushaltsrede 2026 – Fraktion Bündnis 90/Die Grünen

Es gilt das gesprochene Wort – Vorgabe war ca. 10 Minuten

Sehr geehrter Herr Oberbürgermeister, sehr geehrte Damen und Herren Beigeordnete, liebe Kolleginnen und Kollegen des Stadtrates, sehr geehrte Bürgerinnen und Bürger,

wir beraten heute den Haushalt 2026 der Stadt Neustadt an der Weinstraße – einen Haushalt unter erheblichem finanziellem Druck. Aber auch einen Haushalt, der sehr deutlich zeigt, wofür diese Stadt steht und stehen will.

1. Ehrliche Bestandsaufnahme

Der Ergebnishaushalt 2026 weist ein Defizit von rund 23,5 Millionen Euro aus. Das ist eine ernste Lage. Doch dieses Defizit ist kein Zeichen kommunalen Versagens, sondern Ausdruck einer strukturellen Überforderung der Kommunen.

Steigende Sozialausgaben, hohe Tarifabschlüsse – die wir ausdrücklich unterstützen –, sinkende Schlüsselzuweisungen und steigende Zinsen treffen Neustadt mit voller Wucht. Allein die Bereiche Soziales und Jugend bewegen über 114 Millionen Euro, mit einem städtischen Eigenanteil von mehr als 60 Millionen Euro. Diese Zahlen zeigen: Wir reden hier über Daseinsvorsorge – nicht über Luxus.

2. Politische Einordnung: Kommunen zwischen Anspruch und Realität

Bevor ich auf unsere inhaltlichen Schwerpunkte eingehe, will ich eines klar sagen: Dieser Haushalt zeigt sehr deutlich die Schieflage der kommunalen Finanzierung.

Neustadt übernimmt Aufgaben für den gesellschaftlichen Zusammenhalt, für Bildung, für soziale Sicherheit und für Klimaanpassung – Aufgaben, die politisch gewollt und fachlich richtig sind, aber finanziell nicht ausreichend gegenfinanziert werden.

Das ist keine parteipolitische Feststellung, sondern eine strukturelle Realität. Wer kommunale Haushalte ernst nimmt, muss auch ehrlich benennen: So wie das System derzeit aufgestellt ist, geraten Städte wie Neustadt dauerhaft unter Druck.

3. Grüne Haltung: Zukunft sichern, nicht kaputtsparen

Für uns Grüne ist klar: Ein Haushalt ist eine politische Aussage. Und unsere lautet:

👉 Wir investieren in Menschen, Klima und Zukunft – auch in schwierigen Zeiten.

Wer jetzt reflexartig bei Bildung, sozialer Infrastruktur oder Klimaschutz kürzt, spart nicht – er produziert die Krisen von morgen. Diesen Weg gehen wir nicht mit.

4. Der Stellenplan 2026 – Personal ist kein Kostenfaktor, sondern Voraussetzung

Ein zentraler Bestandteil des Haushalts ist der Stellenplan 2026. Ja, er weist zusätzliche Stellen und Stellenanhebungen aus. Und ja: Das kostet Geld. Aber wir sagen sehr klar:

Ohne ausreichend qualifiziertes Personal gibt es keinen funktionierenden Staat und keine handlungsfähige Kommune.

Besonders wichtig ist aus grüner Sicht:

  • Stärkung von Klima-, Umwelt- und Nachhaltigkeitsbereichen: Der Fachbereich Klimaschutz und Klimaanpassung wird personell abgesichert. Das ist kein Selbstzweck, sondern notwendig angesichts zunehmender Hitze, Starkregen und Trockenheit.
  • Mehr Stellen im Bereich Stadtgrün, Landwirtschaft und Umwelt: Pflege, Entsiegelung, Biodiversität und Klimaanpassung brauchen Menschen – nicht nur Konzepte.
  • Deutlicher Schwerpunkt bei Kitas und Jugendhilfe: Die vielen neuen und angehobenen Stellen im Kitabereich sichern Qualität, entlasten Beschäftigte und schaffen Verlässlichkeit für Familien.
  • Brand- und Katastrophenschutz: Angesichts von Extremwetterereignissen ist es richtig und notwendig, Feuerwehr und Katastrophenschutz personell zu stärken.

Der Stellenplan zeigt: Neustadt investiert dort Personal, wo es gesellschaftlich und ökologisch notwendig ist – nicht in aufgeblähte Verwaltung, sondern in konkrete Aufgaben.

Gleichzeitig erwarten wir, dass neue Stellen regelmäßig evaluiert werden, Arbeitsprozesse weiter digitalisiert und Doppelstrukturen vermieden werden. Verantwortungsvoller Personalausbau und Haushaltsdisziplin schließen sich nicht aus – sie gehören zusammen.

5. Kitas, Jugend und Bildung: grüne Kernanliegen

Die steigenden Kosten im Kitabereich sind kein Problem, sondern Ausdruck politischer Prioritätensetzung.

Wir reden hier nicht über abstrakte Zahlen, sondern über reale Situationen: über Eltern, die auf verlässliche Betreuung angewiesen sind, über Fachkräfte, die unter hohem Druck arbeiten, und über Kinder, deren Startchancen maßgeblich von frühkindlicher Bildung abhängen. Gute frühkindliche Bildung ist:

  • Klimaschutz durch kurze Wege und wohnortnahe Angebote,
  • Sozialpolitik durch echte Chancengleichheit,
  • Wirtschaftspolitik durch Vereinbarkeit von Familie und Beruf.

Wir stehen zu diesen Ausgaben – und wir erwarten, dass Bund und Land endlich ihren Anteil dauerhaft übernehmen.

6. Investitionen in Stadt, Klima und nachhaltige Mobilität – trotz Defizit

Mit rund 57 Millionen Euro Investitionen bleibt Neustadt auch 2026 handlungsfähig. Für uns Grüne ist entscheidend, wie investiert wird.

Ein beispielhafer Punkt ist dabei der Radverkehr und Fußverkehr. Punktuelle, gezielte Investitionen in sichere Radwege, bessere Querungen, Abstellanlagen und die Anbindung an zentrale Ziele sind Investitionen in:

  • Klimaschutz durch weniger motorisierten Verkehr,
  • Gesundheit und Lebensqualität,
  • Verkehrssicherheit – gerade für Kinder und ältere Menschen,
  • und eine zukunftsfähige Mobilität in Stadt und Ortsteilen.

Auch wenn der große Wurf finanziell derzeit nicht möglich ist, gilt: Jede einzelne Verbesserung für den Rad- und Fußverkehr zählt. Kontinuität und Verlässlichkeit sind hier wichtiger als spektakuläre Einzelprojekte.

Ein weiterer Schwerpunkt ist die Landesgartenschau 2027. Für uns Grüne ist klar: Die LGS ist dann richtig, wenn sie kein kurzfristiges Event bleibt, sondern eine dauerhafte Investition in Klimaanpassung, Stadtgrün und Lebensqualität darstellt.

Entsiegelung, Gewässerentwicklung, neue Grünachsen und attraktive Aufenthaltsräume sind konkrete Antworten auf die Klimakrise – und sie kommen den Menschen weit über 2027 hinaus zugute.

7. Unsere drei Anträge zum Haushalt 2026 – gezielt, wirksam, verantwortungsvoll

Gerade weil die Haushaltslage angespannt ist, haben wir als Grüne drei sehr gezielte Anträge eingebracht. Alle drei folgen demselben Prinzip: kleiner finanzieller Einsatz, große soziale und ökologische Wirkung.

Erstens: Finanzierung der Kinder-Interventionsstelle des Frauenhauses. Wir beantragen die Finanzierung einer halben Stelle für die Kinder-Interventionsstelle des Frauenzentrums Neustadt.

Diese Stelle unterstützt Kinder, die häusliche Gewalt miterlebt haben – präventiv, schützend und stabilisierend. Bereits nach wenigen Wochen war das bestehende Angebot völlig ausgelastet. Der Bedarf ist eindeutig.

Für uns ist klar: Kinderschutz ist keine freiwillige Leistung. Wer hier spart, zahlt später – menschlich wie finanziell. Die beantragte Stelle ist fachlich notwendig, überschaubar in den Kosten und ein starkes Signal für Gewaltprävention und soziale Verantwortung.

Zweitens: Planungsmittel für einen barrierefreien Übergang vom Bahnhof in die Innenstadt. Wir beantragen Mittel für Planungsleistungen, um den Bereich Bahnhofsvorplatz, Saalbau und Innenstadt endlich barrierefrei und ebenerdig zu verbinden.

Dieser Antrag greift einen einstimmigen Beschluss des Innenstadtbeirats auf. Es geht um Teilhabe: für Menschen mit Mobilitätseinschränkungen, Familien mit Kinderwagen, ältere Menschen und Reisende.

Barrierefreiheit ist kein Zusatznutzen – sie ist Voraussetzung für eine lebendige, inklusive Innenstadt und eine nachhaltige Mobilitätswende.

Drittens: Fassadenbegrünung mit einfachen, kostengünstigen Mitteln. Wir beantragen ein städtisches Konzept zur Fassadenbegrünung mit sogenannten KG-Rohren vor Privathäusern – inklusive Beratung, Unterstützung und möglicher finanzieller Anreize.

Gerade in dicht bebauten Quartieren fehlt Grün. Fassadenbegrünung verbessert das Stadtklima, fördert Biodiversität, bindet CO₂ und hilft bei Starkregen.

Das Besondere: Diese Lösung ist kostengünstig, praxiserprobt und bürgernah. Sie ermöglicht Klimaanpassung auch dort, wo keine klassischen Grünflächen möglich sind.

Alle drei Anträge zeigen: Grüne Haushaltspolitik bedeutet nicht mehr Geld auszugeben – sondern das Geld klüger einzusetzen.

8. Klimaschutz ist Pflichtaufgabe

Auch in einem defizitären Haushalt gilt:

Klimaschutz und Klimaanpassung sind keine freiwilligen Leistungen.

Jeder Euro für energetische Sanierung, Photovoltaik, Stadtgrün und Wassermanagement spart uns in Zukunft ein Vielfaches an Schadenskosten. Wer hier kürzt, handelt finanziell kurzsichtig und politisch verantwortungslos.

9. Haushaltsdisziplin – aber mit sozialem und ökologischem Kompass

Ja, wir brauchen Prioritäten. Ja, wir brauchen Effizienz. Aber nein – wir brauchen keinen sozialen oder ökologischen Kahlschlag.

Dieser Haushalt geht einen schwierigen Mittelweg: Er verlangt viel ab, sichert aber die Grundlagen für eine lebenswerte, gerechte und klimafeste Stadt.

10. Fazit

Der Haushalt 2026 ist kein einfacher Haushalt. Er verlangt Verantwortung, Ehrlichkeit und die Bereitschaft, Prioritäten zu setzen.

Er trägt dennoch eine klare grüne Handschrift:

  • Investitionen in Klima, Klimaanpassung und nachhaltige Mobilität,
  • Schutz sozialer Infrastruktur und Kinderschutz,
  • ein verantwortungsvoller, notwendiger Stellenplan,
  • sowie gezielte Anträge mit hoher Wirkung bei überschaubaren Kosten.

An dieser Stelle möchte ich ausdrücklich der Verwaltung danken – für die sachliche, konstruktive und lösungsorientierte Zusammenarbeit das ganze Jahr über. Auch bei unterschiedlichen politischen Auffassungen haben wir stets eine hohe Professionalität und Offenheit erlebt.

Ebenso danke ich den Kolleginnen und Kollegen unserer Grünen Stadtratsfraktion. Als Opposition haben wir nicht blockiert, sondern konstruktiv mitgearbeitet, Vorschläge eingebracht und Verantwortung übernommen – im Interesse dieser Stadt.

Deshalb werden wir als Fraktion Bündnis 90/Die Grünen dem Haushalt 2026 zustimmen – nicht aus Bequemlichkeit, sondern aus Überzeugung, dass Neustadt gerade jetzt eine Politik braucht, die sozial, ökologisch und zukunftsorientiert handelt.

Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

Rainer Grun-Marquardt

Fraktionsvorsitzender

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