100% Erneuerbare Energien für Neustadt 2035

Seit Jahrzehnten haben Wissenschaftler*innen weltweit die Auswirkungen der Klimakatastrophe prognostiziert. Regelmäßig sind ihre Prognosen übertroffen worden. Auch in Deutschland sind die Auswirkungen der Klimakatastrophe inzwischen für jede*n spürbar. Dies zeigt sich u.a. in der zunehmenden Anzahl von Dürre- wie auch Starkregen-Ereignissen. Die Flutkatastrophe im Ahrtal ist für uns eine dramatische Warnung. Noch katastrophaler sind die Auswirkungen in vielen Ländern des globalen Südens, obwohl diese selbst am wenigsten zu den globalen Klimagasemissionen beigetragen haben. Mit dem Pariser Abkommen hat sich die Weltgemeinschaft 2015 auf das Ziel verständigt, die Klimagas-Emissionen so weit zu begrenzen, dass die globale Erwärmung 1,5° gegenüber dem vorindustriellen Niveau nicht überschreitet. Bereits in der vergangen Legislaturperiode hat die große Koalition im Bund die Zielvorgaben des Klimaschutzgesetzes deshalb verschärft. Weitere Maßnahmen auf Bundes- und Landesebene sind aufgrund der Zielverfehlungen notwendig und zu erwarten.

Der völkerrechtswidrige Angriff Russlands auf die Ukraine und die daraufhin erfolgten Liefer-einschränkungen fossiler Energien aus Russland – insbesondere im Gassektor – verschärfen die Situation ebenso wie die die in der Folge weltweit gestiegenen Energiepreise. Die Energie(preis)krise stellt Bürger*innen und Unternehmen in Deutschland und Europa vor große Herausforderungen. Viele Bürger*innen wissen nicht, wie sie in diesem Winter ihre Strom- und Heizungsrechnung bezahlen sollen. Viele Unternehmen – insbesondere wenn sie in Konkurrenz auf internationalen Märkten stehen – fürchten um ihre Existenz. Für die wirtschaftliche Entwicklung Deutschlands sind die kommenden Monate und Jahre eine große Herausforderung. Wir erwarten daher von der Bundesregierung, dass sie alles tut, um die sozialen und ökonomischen Folgen der Krise abzumildern und eine weitere Vertiefung der sozialen Spaltung zu verhindern.

Kurzfristig gibt es keine Alternative dazu, neue – auch fossile – Energiequellen zu erschließen, sie dürfen jedoch keine neuen Abhängigkeiten und Fehlinvestitionen erzeugen. Es gilt, die Abhängigkeit von fossilen und atomaren Energieträgern zu beenden. Die Zukunft gehört der 100%igen Versorgung aus Erneuerbaren Energien. Weder eine Verlängerung der Atomkraftnutzung noch der Import von (Fracking)-Gas und Öl aus Kanada, den USA, Saudi-Arabien oder Katar oder die eigene (Fracking-)Gas-Förderung in Norddeutschland sind eine sozial, ökonomisch oder klimapolitisch tragfähige Grundlage für unsere zukünftige Energieversorgung. In den vergangenen 10 Jahren ist der Ausbau Erneuerbarer Energien in Deutschland durch finanzielle und bürokratische Auflagen beschränkt und behindert worden. Der einstige Boom von Windkraft und PV ist abgebrochen, die PV- und Windkraft-Industrie in andere Länder vertrieben worden. Wäre dies nicht geschehen, stünden wir heute in der Krise bedeutend besser da. Die neue Bundesregierung hat mit ihren ersten Gesetzesmaßnahmen wesentliche Hemmnisse beseitigt und die Ziele für den Ausbau Erneuerbarer Energien erheblich gesteigert. Weitere Maßnahmen wie ein zukunftsfähiges Energiemarktdesign werden folgen.

Die Zeitenwende in der Energieversorgung muss auch Neustadt erreichen. Viel zu lange ist der Ausbau Erneuerbarer Energien behindert (Windkraft) oder zu wenig ambitioniert vorangetrieben worden (Solar). Wir fordern deshalb von der Stadt, im Rahmen der Weiterentwicklung des Klimaschutzkonzepts einen Plan vorzulegen, wie Neustadt bis zum Jahr 2035 zu 100% bilanziell aus Erneuerbaren Energien versorgt werden kann. Es darf nicht sein, dass wir diese Verantwortung auf andere Kommunen und Regionen abwälzen, ganz abgesehen von den ökonomischen Chancen, die der Ausbau enthält. Es gibt in Rheinland-Pfalz viele Beispiele für einen engagierten Ausbau Erneuerbarer Energien (z.B. Rhein-Hunsrück-Kreis), an die angeknüpft werden kann.

Bereits das Klimaschutzkonzept von 2017 hat deutlich gemacht, dass ein wichtiger und schwieriger Bereich die Wärmeversorgung ist. Während sich für ländliche und dörfliche Gebiete immer mehr die Kombination aus PV und Wärmepumpe als zukünftiger Standard einer klimaneutralen Wärmeversorgung durchsetzt, ist für stärker verdichtete und städtische Regionen der Aufbau von Fernwärmenetzen das Mittel der Wahl. Die aktuellen Planungen zur Verbindung von Lithiumförderung und Geothermienutzung in Neustadt bieten eine gute Möglichkeit, für solche Wärmenetze eine klimaverträgliche und kostengünstige Energieversorgung zu erschließen. Wir setzen uns deshalb dafür ein, diese Möglichkeit zu nutzen. Gleichzeitig fordern wir das Land auf, die bestmöglichen ökologischen und sicherheitstechnischen Standards sowie die Vorgaben für die Bürger*innenbeteiligung und einen transparenten Prozess zu gewährleisten. Von den Stadtwerken erwarten wir, dass sie – basierend auf dem bereits bestehenden Fernwärmenetz – zügig einen Ausbauplan für Fernwärmenetze in Neustadt vorlegen und – auch unter Nutzung der bereitstehenden Fördermittel des Bundes – umsetzen.

100% Erneuerbare Energien bedeutet auch den Auf- und Ausbau eines Mixes von PV- und Windkraftanlagen. Wir fordern deshalb die Stadt auf, ihre Verhinderungspolitik bei der Windkraft aufzugeben und entsprechende Flächen für die Windkraftnutzung auszuweisen. Die Förderung der Errichtung von PV-Anlagen wollen wir im Rahmen der neuen rechtlichen Möglichkeiten von Bund und Land engagiert auf allen Ebenen vorantreiben (öffentliche Gebäude, private Gebäude, Industriegebäude, Freiflächenanlagen, Agri-PV).
Darüber hinaus fordern wir alle Beteiligten auf, die im Klimaschutzkonzept der Stadt Neustadt bereits enthaltenen Maßnahmen ambitioniert umzusetzen und weiterzuentwickeln.

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